— Daniel Kehlmann, 2023 —
Mit Lichtspiel ist doch tatsächlich Kino gemeint. Der Roman ist eine Biografie des bekannten Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst. Der war zunächst vor dem Naziregime in die USA geflüchtet. Dort konnte er jedoch nicht Fuß fassen. Als seine kranke Mutter um Hilfe bittet, kehren die Pabsts zurück nach Österreich. Der Zweite Weltkrieg beginnt und Pabst schlägt den „pragmatischen Weg“ ein und wird zum Propagandafilmer des Regimes. – Unglücksjahre eines Regisseurs: ein Künstler überschätzt seinen Einfluss in einer Diktatur, seine NS-Filme beschädigen seinen Ruf nachhaltig.
»Eigentlich beginnt dieser Roman auf Seite 202. Der 1895 im damaligen Böhmen geborene Georg Wilhelm Pabst, Regisseur legendärer Stummfilme wie „Die freudlose Gasse“ oder „Die Büchse der Pandora“, jener Schöpfer sozialkritischer Tonfilme, der auch Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“ fürs Kino eingerichtet hat, betritt in Berlin das Büro von Propagandaminister Dr. Joseph Goebbels.«
SWR Kultur, 15.10.2023
Der Roman wolle zu viel gleichzeitig sein, werfen manche Kritiker dem Kehlmann-Buch vor: Ein Portrait der Unfreiheit der Kunst unter den Nazis; Familienroman und dann doch wieder Gesellschaftsparodie; kritische Betrachtung der Kinoästhetik zur ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Für einen starken Roman über fatale Konsequenzen des Kompromisses halten andere das Buch. Dritten hingegen fehlt die kehlmannsche Magie, nämlich die Innenschau, mit der der Autor sonst seine Romanfiguren zeichnet.
Ein höchst widersprüchlich rezensierter Roman, dessen Lektüre sich wahrscheinlich allein deshalb schon lohnen wird.
Interview: Adam Soboczynski (Literaturchef der ZEIT) im Gespräch mit Daniel Kehlmann im Oktober 2023
Buchblogger:
- Wortmax, 23. Januar 2024:
»Der Spagat zwischen Kunst und Propaganda, zwischen Standhaftigkeit und Verführung, zwischen Moral und Macht, zwischen den Möglichkeiten des Widerstands und dem Ausgeliefertsein bildet den Spannungsbogen in »Lichtspiel« und findet seinen Höhepunkt im Aufeinandertreffen von Pabst und Joseph Goebbels. Die Szene, die Kehlmann im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda entwirft, ist gleichermaßen faszinierend wie bedrückend, der Dialog zwischen den beiden gleichermaßen komisch wie niederschmetternd. Auf jeden Fall große Erzählkunst.« - BELLETRISTIKcouch.de, 25. Oktober 2023:
»Daniel Kehlmann gelingt erneut ein großartiges Werk. Zweifellos ist „Lichtspiel“ der Roman des Jahres. Ein virtuoses Spiel aus Realität und Fiktion, aus Fakten und Spekulation. Ein Buch über Täter und Mitläufer. Kehlmann ist ein Meister des Erzählens. Der Roman ist aufwühlend, stimmt nachdenklich, ist stellenweise unbeschreiblich komisch, aber auch unendlich traurig – und er ist leider immer noch hochaktuell.«