— Benjamin von Stuckrad-Barre, 2023 —
Skandalliteratur? Persönliche Fehden, ausgetragen im Romanformat? Was wäre unsere Gesellschaft ohne solche Attacken. (Ich erinnere mich zuletzt an Martin Walser, der in seinem Tod eines Kritikers Mord mit der spitzen Feder an Marcel Reich-Ranicki beging. Und das ist mittlerweile über zwanzig Jahre her.)
Noch wach? – Der Autor war zehn Jahre lang für den Axel-Springer-Verlag tätig und kritisierte danach den damaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt wegen sexuellen Missbrauchs von Mitarbeiterinnen. Seinen Roman Noch wach? muss man wohl als Schlüsselroman über den Axel-Springer-Verlag und dessen Spitzenpersonal Mathias Döpfner und Julian Reichelt lesen. Und natürlich – holla, hossa! – endlich auch als bundesdeutsches Dokument in der weltweiten #MeToo-Debatte.
Der Roman wurde in der professionellen Literaturkritik mit sehr gemischtem Echo besprochen. Im Spiegel wurde er Gegegenstand einer Titelgeschichte, in der ZEIT stritten sich Redakteure um die Qualität des Textes. 384 Buchseiten, die vermutlich in vielen bildungsbürgerlichen Haushalten im Regal stehen, aber nur von wenigen gelesen werden.
Nachtrag, 6.4.2023: Im ZEITmagazin verfasst Harald Martenstein in seiner wöchentlichen Kolumne einen Tadel an Stuckrad-Barre unter der Überschrift Über Freundschaft und Verrat:
»Stucki war lange ein enger Freund Döpfners. […] Stuckrad-Barre hat es geschafft, seine Freundschaft zweimal zu versilbern, zuerst, indem er sich vom Freund bezahlen ließ, danach […], indem er ihn verriet. So geschäftstüchtig wie Stuckrad-Barre waren, als Verräter, weder Judas Ischariot noch Günter Guillaume. […] Eine Welt ohne Loyalität und Freundschaft, ohne Dankbarkeit, stattdessen voller Rache und Intrigen«
Buchblogger:
- Kommunikatives Lesen, 23. Mai 2023
»Von einem Journalisten-Thriller bleibt Noch wach? jedoch weit entfernt. […] Der Plot dient lediglich als Aufhänger für eine Trauer- und Enttäuschungsverarbeitung. […] Stuckrad-Barres Text greift nicht den Chefredakteur, noch den besten Freund des Ich-Erzählers an. Der Text schreibt gegen eine Welt, in der Figuren wie sie existieren, in der er sich mit solchen seiner Meinung nach Belanglosigkeiten abgeben muss.«